Vor Gericht
Wo Verträge abgeschlossen werden gibt es auch Gerichtsfälle. Auch die Burgermeister kamen nicht darum herum, sei es als Kläger, Angeklagte oder Richter.
Säumige Zahler
Vor Gottfried Amps von Zug, Landvogt im Ober- und Unterthurgau, kommt es am 30. März 1489 zu einem Prozess zwischen den edlen und festen Vater und Sohn Junkern Michel von der Breitenlandenberg und Rudi Burgermeister von Merstetten. Unser Vorfahre weigerte sich offenbar, für ein Badhaus Zins zu bezahlen. Der Richter urteilte nicht zu seinen Gunsten, was vorauszusehen war. Ab sofort war er verpflichtet, jährlich zwei „Herbsthühner“ und am Martinstag auch noch zwei „schilling pfenning constantzer müntz“ zu entrichten. Der Landvogt besiegelte am Montag nach dem Sonntag Laetare (4. Fastensonntag) nach „Cristi gepurt tusent vierhundert und im nünundachtzigsten jare“.
Wie die Zollikofers mit ihren säumigen Schuldnern umgingen ist nicht aktenkundig und Pranger habe ich auf dem Schloss keinen gesehen. Sicher ist hingegen, dass ihre eigene Zahlungsmoral nicht über jeden Zweifel erhaben war. Am 29. Mai 1675 übergibt der Gerichtsweibel Ulrich Heer dem Georg Joachim Zollikofer das Verzeichnis all jener Haushaltungen, die Fastnachthühner abzuliefern haben. Er nimmt diese Gelegenheit zum Anlass, auf seine 23 jährige erfolgreiche Tägikeit als Weibel hinzuweisen, und den Gutsherren an die ausstehenden Entschädigungen für seine Tätigkeit als Bannwart für die Aufsicht über Wald und Fischbäche zu erinnern.
Justizirrtum
Im Weinfelder Bügerarchiv steht in einem Urkundenbuch, dass es am Mittwoch nach dem Dreikönigstag 1505 vor dem Chorgericht zu Konstanz wegen eines Zehntenstreits zwischen den Erben des Ritters Hans Jakob Peyer zu Hangenwilen und Hans und Kleinhans Wisler zu einem Gerichtsfall kam. Klaus Burgermeister war einer der fünf Richter. Ein Urteil wurde gefällt, der Streit aber nicht beigelegt. Bereits enige Tage später wurde das Urteil rückgängig gemacht. Das Chorgericht habe das Urteil „ohne Kenntnis der Verhältnisse, nicht nach einem Augenschein, nur aus der Ferne, nach Brief und Siegel, gefällt“.
Verbotenes Fischen
Am 22. Oktober 1530 entschuldigt sich Uli Ruh vor dem Weibel zu Wigoltingen. Nicht er, sondern die Seinen hätten im Bach gen Mußätzi zwischen den Weihern gefischt, was nicht mehr vorkommen soll. Ulrich von Breitenlandenberg zieht seine Klage zurück. Einer der anwesenden Richter ist Jakob Burgermeister.
Der Eigenhof in Weinfelden
Vor Gericht ging es aber nicht nur um Streitereien. Laut einem "Brief betreffend von Eigenhof zu Weinfelden vom 13. April 1523" sind die ehrbaren Michel Nufer und Ulrich Burgermeister vor dem Gericht in Weinfelden erschienen um über den ihnen von den "ehrwürdigen Herren gemeiner Bruderschaft zu der hohen Gestifft zu Constantz verliehenen rechten Erbzinslehenhof, Eigenhof genannt, allhier zu Weinfelden gelegen, auszusagen." Dieses Dokument ist interessant, weil es den Eigenhof in Weinfelden heute noch gibt.
Der Eigenhof in Weinfelden war, wie eine Urkunde von 1359 zeigt, im Besitze des Domkapitels Konstanz. Albrecht von Bussnang, der das Gut zu Lehen hatte, hinterliess es seinen Erben am 25. Juli 1380. Vermutlich wollte Konstanz in seinen Besitzesverhältnissen wieder einmal Ordnung schaffen. Michel Nufer und Ulrich Burgermeister wurden vor das Weinfelder Gericht geladen um anzugeben, was alles zum "Eigenhof" gehöre. Desgleichen mussten sie die Zinsen nennen, die "etwa anderhalb Dutzend" Bauern in den "Eigenhof" zu leisten hatten. Die beiden erklärten, der Hof sei noch nicht lange in ihren Händen, aber sie wollten versuchen, alles getreulich zu melden.
Keine Kirchenlichter
Dreiecksgeschichte
Zu einem Gerichtsfall der besonderen Art kam es am 12. April 1546 vor dem Ehegricht in Zürich zwischen Elsbeth Heer, Urs Burgermeister von Märstetten und Anna Meygerin. Schon aus der Anzahl Beteiligten ist ersichtlich, dass es sich um eine Dreiecksgeschichte handeln muss. Über die erste Verhandlung fehlt leider das Transkript. Am 10. Mai 1546 fand die zweite Verhandlung statt. Über diese liegen Kopien des Originals wie auch der Transkription vor. Ich weiss nicht, ob ich das Geschehen hier richtig weitergebe, ist doch der Text in schwer verständlichem mittelhochdeutsch abgefasst. (Lesen Sie das Urteil, dann sehen Sie was ich meine.) Also Elsbeth Heer beklagt sich bitterlich, dass Urs sie habe sitzen lassen obschon er sie genommen habe. An ihrer Stelle habe Urs Anna Meygerin, aus Merstetten ab dem Dienst ins Haus genommen als sein Eheweib, sie beschlafen habe, und sie meinte zu behalten und der Elsbeth ledig zu werden. Er habe die Meygerin sogar zu seinen Eltern und Freunden geschickt und die Hochzeit in der Kirche zweimal verkünden lassen. Urs aber vermeint, sie (Elsbeth Herr) nicht genommen zu haben, denn er sei dermassen voll gewesen, dass er in drei Tagen nicht gewusst habe, was er tat. Er hätte auch nie die Absicht gehabt, sie zu nehmen, deshalb habe er dann die Meygerin genommen, die er vermeinte zu behalten. Das Gericht kam zu einem Urteil.
Unzucht
Am 12. Mai 1854 tagte das Bezirksgericht Weinfelden. Anna Keller von Unterstammheim klagte gegen den (abwesenden) Jakob Burgermeister aus Engwang "betreffend Vaterschaft unter Eheversprechen". Das am 25. Dezember 1853 geborene Kind Anna wurde dem Beklagten "als ehelich und erblich unter allen gesetzlichen Folgen zugesprochen. Hinsichtlich der Erziehung und der Alimentation des Kindes habe es bei dem unter den Parteien abgeschlossenen Vertrage sein Bewenden, sofern nicht die Kirchenvorsteherschaft des Beklagten sich zu Abänderungsanträgen veranlasst finde"
Jetzt wirds spannend: Klägerin und Beklagter wurden mit einer "Unzuchtsbusse" von 10 Fr. bestraft. Damit nicht genug, denn schon vor 150 Jahren gingen solche Prozesse nicht kostenlos an den Beteiligten vorbei. "Die Klägerin habe 10 Fr. Gerichtsgeld, 85 Rp. Einleimungstaxe, Fr. 1. 5 Rp für Präsidialverhör, Fr. 5.32 Rp . Vorladungskosten, Fr. 2.91 Rp. Rezesstaxe, zusammen an Gerichtsgebühren Fr. 20.13 Rp. nebst den Kosten der Urtheilspublikation, mit Regress für die Hälfte auf den Beklagten, zu bezahlen."
Bis dass der Tod euch scheidet
Nur vier Jahre später kam es zu einer Ehescheidung. Vor Gericht hatten zu erscheinen die Ehefrau Susanne Burgermeister-Metzger sowie deren Gatte Abraham Burgermeister aus Engwang. Letzerer erschien allerdings "wegen unbekannter Abwesenheit" nicht. Die Ehe wurde aufgelöst und dem Beklagten Abraham wurde eine "Eheschimpfbusse" von Fr. 30.- auferlegt. Die anfallenden Kosten entsprachen ungefähr dem obigen Fall. Das Urteil wurde an das evangelische Pfarramt Wigoltingen zu Handen der Kirchenvorsteherschaft und an den Beklagten durch Publikation im Amtsblatt mitgeteilt.
Konkursiten und Rechtsbrecher
"Wigoltingen den 9. Oktober 1852. Bekanntmachung: Die nächsten Anverwandten des jüngst verstorbenen Jakob Burgermeister, Branntweinhändler in Engwang, haben die Erbschaft ausgeschlagen, und es wird demnach über dessen Verlassenschaft der Konkurs eröffnet. Es werden daher seine sämtlichen Gläubiger bei Verlust ihrer Forderungsrechte und seine allfälligen Schuldner unter Androhung der gesetzlichen Folgen aufgefordert, Erstere ihre Forderungen auf Stempelpapier verzeichnet und gehörig belegt, Letztere ihre Schuldigkeiten getreu und vollständig im Laufe dieses Monats behufs der Bildung einer Massa-Rechnung einzugeben."
Am 13. Juli 1854 wurde Adam Burgermeister aus Illhart vor die bezirksgerichtliche Kommission zu Weinfelden geladen. Er war vom Staate der "rechtswidrigen Thätlichkeit" angeklagt. Adam erschien nicht und wurde in Abwesenheit für schuldig befunden. Ich wüsste nur zu gerne, was unter diesen rechtswidrigen Tätlichkeiten zu verstehen ist.