Von Pfaffen und Kaplanen

 

Geistliche in der Familie
Im Jahre 1505 stiftete Hans von Landenberg von Altenklingen, Vogt zu Gaienhofen und Berg, eine Messpfründe. Er dotierte sie mit einem jährlichen Einkommen von 20 Mütt und ½ V. (Viertel) Kernen, 2 Mltr (Malter), 2 Mt. (Mütt) und 1½ V. Hafer, 9 Pfd Pfenn., 8 Hühnern und 100 Eiern. Zur Pfründe gehörten 1 Juchart und 6 Manngrab Reben nebst anderen Liegenschaften. Der Kaplan musste wöchentlich vier Messen lesen und darin des Stifters gedenken. Als erster Kaplan wählte von Landenberg Heinrich Burgermeister von Märstetten, „noch ehe ehr geweiht war“.
Gemeinhin wird angenommen, dass der Ablass Anlass zur Reformation gegeben habe. In unserem Archiv befindet sich die Kopie eines wunderschönen Dokuments in lateinischer Sprache in dem wiederum von einem Nikolai Burgermeister die Rede ist. Es ist ein Dokument mit "sieben Siegeln" - im wahrsten Sinne des Wortes. Es handelt sich dabei um einen Ablass vom 20. Februar 1477, er wurde von Herrn Hans Kläui ins deutsche übersetzt. Ich empfehle die Lektüre, Ihr habt sicher schon lange keinen Ablass mehr gelesen.


Neugläubige und Katholiken
Die Pfarrei Turbenthal besass seit 1512 zwar ein prächtiges Gotteshaus, aber keineswegs ebensolche Priester. Fünf Kapläne und Vizepriester teilten sich die Aufgabe, keine allzu grosse Arbeitslast. Müssiggang erwies sich auch hier als aller Laster Anfang, und die Geistlichkeit war daher weniger vor den Altären als in den Weinschenken und auf allerlei Ausflügen zu treffen. Dazu kam, dass der scharfe Wind von Zwinglis Lehren auch um die Hügel des Tösstals zu pfeifen begann. Die Zürcher Obrigkeit war über das, was sie im Juli 1523 aus dem Tösstal erfuhr, gar nicht erbaut. Kaspar Huoter, Leutpriester und Kirchherr im Turbenthal, war so entschieden gegen die kirchliche Erneuerung (Reformation), dass ihn die Zürcher Obrigkeit gar bald in die Finger nahm. Was sie im Juli 1523 erfuhr, war für Meister Urlich Zwingli alles andere als erbaulich. Johannes Burgermeister, der Kaplan des Liebfrauenaltars, noch der ordentlichste des ganzen Kollegiums(!), berichtete, der Kirchherr von Turbenthal Pfarrer Huoter hätte öffentlich auf der Kanzel erklärt: „Lieben Untertanen, kerent üch nit jetz an die nüwen leren, die das Evangelion verkerent“. Sodann habe er all jenen das heilige Sakrament verboten „die da nit gloubent an des Bapsts bullen und brief, ouch dass er nit die Sünd hab zu vergeben.“
Die Reformation brachte viel Neues. Unter anderem fingen nun die katholischen Priester an zu heiraten. Heinrich Mesikon, Konventherr in Rüti und Pfarrer von Seegräben, heiratete in der Kirche von Turbenthal Helena von Breitenlandenberg und Hans Stahel, der Kaplan des Dreikönigsaltars entschloss sich zur Ehe mit Else Huggenberger. Nur Pfarrer Huoter blieb widerspenstig. Er wurden im November vor das Ehegericht Zürich zitiert. Huoter verwahrte sich dabei gegen die Anschuldigungen, er liege „bi sinder Losen“ (Dirne). Kaplan Burgermeister aber hatte in einer Wirtschaft gesagt, es wäre zum Gotterbarmen, wie der Pfarrer im Ärgernis stehe; er selbst habe dem obrigkeitlichen Mandat Genüge geleistet (und offenbar geheiratet), aber Huoter tue es nicht. Schliesslich stellte sich heraus, dass der Pfarrer zwei Weiber unter seinem Dache beherbergte, die beide auf den Namen Anna hörten. Die ältere sei ganz Herr im Haus und hasse die jüngere, wie eben „Metzen“ einander nicht ausstehen könnten. Kurzum, es bestehe ein Argwohn und Missfallen in der ganzen Pfarrei. Man wollte, dass Huoter endlich täte „wie ander pfaffen“. Man kam zum Urteil, Huoter sei nicht evangelisch und stellte ihm einen Vizepleban als Aufseher zur Seite. Endlich gab Huoter nach, heiratete 1526 eine seiner beiden Annen, was aber aus ihm noch keinen brauchbaren reformierten Pfarrer machte.

Im Frühjahr 1528 fand in Zürich eine Synode statt. Am 19. Mai erschien in den „Acten zur Synode der Stiftsgeistlichen, Caplane etc.“ das Teilnehmerverzeichnis. „Hernach folgend die Bröpst, chorherren, caplanen, münch und alle die, so in miner Herren von Zürich stadt und landschaft verpfründet oder verlibdinget und uf Zinstag vor der Uffart Christi Anno 1528 allhie erschinen sind.“ An erster Stelle der Chorherren vom Züricher Grossmünster figuriert kein Geringerer als M. Uolrich Zwingli. Unter den sechs Vertretern des Turbenthals finden wir den uns bereits bekannte Kaplan Hans Burgermeister.

Ja, es war eine turbulente Zeit. Die Pfarrer hatten es nicht leicht, vor allem dann nicht, wenn ein Burgermeister in ihrer Nähe war. Im Jahre 1534 wurde Pfarrer Huser, er kam aus Niederhasli im Kanton Zürich in den Thurgau, vom Gerichtsherrn auf Altenklingen, Ulrich von (Breiten)Landenberg und Gorius (Gregorius) Burgermeister (den kennen wir schon), Vogt in Märstetten wegen der Schmähung gegen die katholische Kirche beim thurgauischen Landvogt verklagt und gefangen genommen. Zwei seiner Cötualen, Ulrich Kleiner und Heinrich Germann wollten aber aus besonderem Gefallen an ihren Pfarrer letzteres verhindern und dafür Tröster (Garanten) sein, dass er sich stellen müsse, oder dafür 100 Gulden deponieren oder endlich sogar, wenn Huser ausbleibe, in seine Fussstapfen treten. Diesem Anliegen wurde aber nicht entsprochen.

Mitsprache auch in religiösen Dingen
Die Schlossherren von Altenklingen hatten überall das Sagen. In einem Dokument vom 13. Mai 1543 erklärt Ulrich von Landenberg zu Altenklingen, dass er auf Bitten der neugläubigen Hintersässen und Gerichtsangehörigen des Kirchspiels zu Märstetten Hans Stäbinger von Helfenschwil zum Prädikaten (Pfarrer) der Pfarrpfründe Märstetten angenommen habe. Für den Empfang von 20 Gulden verzichtet er auf das Recht, den Prädikanten bei dessen Tod zu beerben.

Am 14. August 1672 muss der Thurgauer Landvogt, Hauptmann Johann Peregrin von Beroldingen, einen Streitfall zwischen den Zollikofers und der Kirchgemeinde Märstetten schlichten. Die Gemeinde wird ermahnt, sie habe wohl das Recht, einen Pfarrer zu wählen, hingegen habe man bei dessen Entlassung dem Gerichtsherren zu Altenklingen die Ursachen und Gründe dafür vorzulegen. Er werde dann darüber entscheiden.

Noch im Jahre 1696 musste ein Johann Heinrich Waser aus Zürich herbeigerufen werden, um zwischen den Zollikofers und der Kirchhöri Märstetten einen gerichtlichen Vergleich zu erreichen. Die über die Gemeinde verhängte Busse soll nachgelassen werden gegen entsprechende Abbitte. Künftig soll der Pfarrer bei anderweitiger Berufung bei der Herrschaft Altenklingen das Lehen aufkünden, die Gemeinde aber das wissen lassen, damit diese einen neuen Pfarrer suchen und wählen könne. Dieser Neugewählte solle dann bei den Gerichtsherren zu Altenklingen um das Lehen bitten.